Professorin Raphaela Henze Portrait

"Ich habe eine große Leidenschaft von mir zum Beruf gemacht."

Melanie Müller / Miriam Borgert|18.02.2024

Interview mit Prof. Dr. Raphaela Henze

Name Raphaela Henze

Alter 49

Akademischer Grad Professorin

Aktuelle berufliche Position Professorin für Kulturmanagement

Fachbereich bzw. Forschungsgebiet Kulturmanagement & Kulturpolitik

Forschungsschwerpunkte Internationales Kulturmanagement, Kulturdiplomatie

Auszeichnungen und Preise diverse Stipendien und Forschungsförderungen bspw. Arts & Humanities Research Council, DAAD, Goethe-Institut

Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen internationales Wissenschaftler*innen-Netzwerk Brokering Intercultural Exchange, ENCATC, ERICarts, Kulturpolitische Gesellschaft, Fachverband Kulturmanagement

Inspirierende Personen oder Vorbilder Viele Kulturschaffende in Ländern des Globalen Südens, die teilweise unter sehr schwierigen bis zu gefährlichen Bedingungen Kunst schaffen, kreativ sind und versuchen, mit Kunst und Kultur in ihren Gesellschaften Transformationsprozesse anzustoßen bzw. zu meistern. Ich hatte das große Glück durch das von mir gegründete Netzwerk Brokering Intercultural Exchange in den letzten Jahren viele solcher inspirierenden Persönlichkeiten kennenlernen zu dürfen.

Ein Zitat fürs Leben „If you think education is expensive, try ignorance”

Interview

Würden Sie sich bitte kurz in eigenen Worten beschreiben? 

Ich bin sehr gerne Wissenschaftlerin. Ich finde es großartig, Zeit mit spannenden und wie ich meine gesellschaftsrelevanten Themen zu verbringen. Gerade das Kulturmanagement ist keine Elfenbeinturmdisziplin – der Austausch mit der Praxis ist wichtig. Deshalb ist das Fach an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften gut aufgehoben. Wenn Wissenschaft die Kolleg*innen in der Praxis unterstützen kann, dann macht es besonders viel Spaß.

Was hat Sie motiviert, sich für eine Karriere in der Wissenschaft/Forschung zu entscheiden?

Ich war bereits während des Jurastudiums an der Humboldt Universität studentische Hilfskraft, während meiner Promotion an der Ruhr Universität Bochum dann wissenschaftliche Mitarbeiterin. Lehre und Forschung haben mir immer viel Spaß gemacht weshalb ich auch nach der Promotion noch als Postdoc an die Yale University in die USA gegangen bin – lange habe ich überlegt, ob ich an der Universität bleibe. Besonders in den USA hat es mir gut gefallen. Der Liebe wegen bin ich nach Deutschland zurückgekommen. Während meiner diversen beruflichen Stationen hatte ich nebenberuflich Lehraufträge u.a. an der Hochschule in Frankfurt am Main und in Heidelberg. Schlussendlich bin ich dann tatsächlich wieder ganz da gelandet, wo ich vermutlich wirklich am besten hinpasse: in Forschung und Lehre.

Was ist Ihr akademischer/beruflicher Hintergrund? 

Ich bin Juristin mit zwei Staatsexamen und Promotion. Ich habe u.a. im Wissenschaftsministerium in Hamburg, als Geschäftsführerin einer Stiftung in Frankfurt am Main und als Kanzlerin der Fachhochschule Koblenz gearbeitet. Während meiner Berufstätigkeit habe ich einen berufsbegleitenden MBA an der University of London gemacht. Seit 2010 bin ich Professorin an der Hochschule Heilbronn.

Was inspiriert Sie, in Ihrem Fachbereich zu bleiben und weiterzumachen? 

Ich habe eine große Leidenschaft von mir zum Beruf gemacht. Nach wie vor brenne ich für Kunst und Kultur. Spätestens seit Corona sollte jeder verstanden haben, wie wichtig kulturelle Aktivitäten, die ja sehr oft von Gemeinschaft leben, für unsere Gesellschaft sind. Aber dieses freiheitlich-demokratische Kunst und Kulturleben, wie wir es kennen, ist durch Rechtsruck und Populismus bedroht. Diese Bedrohung sollten wir ernst nehmen und wir sollten uns entsprechend positionieren. Kunst und Kultur sind nie neutral, es geht immer um Emotion und Deutungshoheit. Mir ist es sehr wichtig, dass wir Haltung zeigen, dass wir aus der Geschichte – sei es Kolonialgeschichte oder Nationalsozialismus - unsere Lektionen gelernt haben. Dies nicht nur zu vermitteln, sondern vorzuleben, ist meine Aufgabe als Lehrende und das ist heute leider wichtiger denn je.

Was empfinden Sie als Ihren größten beruflichen Erfolg bisher? Worauf sind Sie stolz?

Neben ein paar nicht ganz unwesentlichen Publikationen, würde ich tatsächlich den Aufbau des Wissenschaftler*innen Netzwerks Brokering Intercultural Exchange nennen, das in den vergangenen Jahren Kulturmanager*innen aus über 50 Ländern miteinander vernetzt hat. Viele sind über dieses Netzwerk an neue Positionen gekommen, haben gemeinsame Publikationsprojekte gestartet oder Forschungsvorhaben initiiert. Jetzt ist es gerade in einer Übergangsphase, denn natürlich muss man irgendwann auch abgeben können.

Was sind Ihre Zukunftspläne für Ihre Karriere? Haben Sie bereits Projekte in der Pipeline und welchen Impact sollen sie haben? 

Mit meiner wunderbaren Kollegin Patrycja Kaszynska von der University of the Arts in London plane ich ein Projekt zu Cultural Value. Ganz vereinfacht gesagt, geht es um den Wert von Kunst und Kultur, wie kommen wir (aber vor allem auch Fördergeber) zu unseren Wertentscheidungen? Es ist ein Projekt mit vielen Praxispartnern wie etwa der Kulturstiftung der Länder, dem Goethe Institut, dem ifa in Stuttgart und auch dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Wir haben einen sehr aufwändigen DFG-Antrag gestellt, der leider abgelehnt wurde. Auch damit muss man in unserem Beruf umgehen können – besonders schade ist es allerdings dann, wenn man den Eindruck hat, gegenüber Universitäten benachteiligt zu werden oder die Kategorie Kulturmanagement beim Fördergeber gar nicht vorkommt – wobei diese Disziplin seit Jahrzehnten existiert und durchaus Grundlagenforschung betreibt.

In der Lehre hoffe ich auf einen neuen, innovativen Masterstudiengang, der sich besonders an Studierende richtet, die sich vorstellen können, in internationalen Kulturkontexten zu arbeiten und aufgeschlossen sind für Sprachen und Auslandsaufenthalte, denn wir wollen eng mit der Universidad de las Artes in Buenos Aires kooperieren. Südamerika ist für das Kulturmanagement sehr spannend und wir können ungemein viel von den Kolleg*innen dort lernen.

Was ist eine Fähigkeit oder Eigenschaft, die Sie erst spät in Ihrer Karriere erkannt haben und die Sie für wichtig halten? 

Netzwerkkompetenz, Resilienz und die Fähigkeit, Entscheidungen nicht persönlich zu nehmen, denn auch in der Wissenschaft unterliegt wahrlich nicht alles rein rationalen Entscheidungen und nicht immer ist allein die fachliche Qualifikation ausschlaggebend.

Was ist Ihr Rat an Frauen, die mit dem Gedanken spielen, eine Karriere in der Wissenschaft zu beginnen?

Dieser Beruf beinhaltet viele Freiheiten und lässt sich meiner Erfahrung nach auch relativ gut mit Familie vereinbaren. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich mich in Themen einarbeiten darf, die mich interessieren und die ich für relevant halte. Kein Tag ist wie der andere. Wer gerne mit jungen Menschen zusammen ist und den Willen hat, sich pädagogisch  kontinuierlich weiterzuentwickeln, der ist sicher richtig an er Hochschule. Ich freue mich immer sehr zu sehen, was aus unseren Absolvent*innen über die Jahre so wird und bin nicht selten auch stolz, zu diesen spannenden Wegen vielleicht ein bisschen beigetragen zu haben. Neben all dem Positiven darf aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass wir an Hochschulen gegenüber unseren Kolleg*innen an den Universitäten nach wie vor nicht zu rechtfertigende Nachteile haben. 18 SWS sind sehr viel. Wenn Sie etwa in Forschungskooperationen mit Kolleg*innen aus dem Ausland sind, die teilweise nur 4 SWS in die Lehre investieren, dann ist es ein erhebliches Ungleichgewicht. Dazu kommt der fehlende Mittelbau und ein – mich nicht selten zur Verzweiflung bringender – administrativer Wust, der sicher alles andere als innovationsfördernd ist. Das Thema Digitalisierung, das neben innovativen Lehrformate auch der Work-Life-Balance aller Beteiligten zugutekäme, ist leider - vorsichtig formuliert – zumindest bei uns noch in den Kinderschuhen. Ich habe die Befürchtung, dass wir hier den Anschluss verlieren.

Am 11. Februar findet jährlich der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft statt. Der Aktionstag würdigt die entscheidende Rolle von Frauen und Mädchen in Wissenschaft und Technik, er soll ermutigen, fördern und unterstützen. 

In diesem Rahmen möchte das Referat für Gleichstellung und Diversität die Leistungen von Wissenschaftlerinnen der Hochschule Heilbronn in den Fokus rücken. In den Wochen bis zum Girls Day, dem 25.04.24, stellen sich die Wissenschaftlerinnen vor, geben Einblick in ihre Arbeit und nennen Beweggründe für eine wissenschaftliche Karriere.