Das Foto zeigt die erste Professorin der HHN, Frau Elke Platz-Waury

"Frauen müssen wir noch mehr fördern. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange."

Melanie Müller / Miriam Borgert|21.04.2024

Interview mit Prof. Dr. phil. Elke Platz-Waury

Name Dr. Elke Platz-Waury

Alter 83

Akademischer Grad Prof. Dr. phil.

Aktuelle berufliche Position Professorin im Ruhestand

Fachbereich Tourismus und Internationale Betriebswirtschaft der Hochschule Heilbronn

Veröffentlichungen zu Drama und Theater – Literaturverfilmungen – vielfältige Veröffentlichungen zu hochschulpolitischen Fragen (Auszug im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek)

Auszeichnungen und Preise

  • Ehrenvorsitzende im Verband Hochschule und Wissenschaft Baden-Württemberg
  • Ehrenvorsitzende im Bundes-Verband Hochschule und Wissenschaft
  • Verdienstkreuz in Anerkennung der wissenschaftlichen und ehrenamtlichen Lebensleistung


Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen

  • Vizepräsidentin (a. D.) im Deutschen Studentenwerk (DSW)
  • ehemaliges Mitglied im BAföG-Ausschuss der Deutschen Bundesregierung
  • Fachverband Deutscher Sprachreiseveranstalter (FDSV) 
  • Deutscher Akademikerinnenbund (dab) 
  • Gründungsmitglied und stellvertretende Vorsitzende Verband Baden-Württembergischer Wissenschaflerinnen (VBBW)
  • Verband Hochschule und Wissenschaft Baden-Württemberg
  • Bundesverband des vhw
  • Deutsches Studierendenwerk (DSW)


Inspirierende Personen oder Vorbilder
Vorbilder waren meine Eltern, mein Doktorvater Prof. Dr. Erwin Wolff, Bundesministerin Edelgard Bulmahn, HRK-Vorsitzende a. D. Prof. Dr. Margret Wintermantel sowie die Wissenschaftsminister des Landes Baden-Württemberg Klaus von Trotha und Prof. Dr. Peter Frankenberg wegen ihrer Gesprächsbereitschaft auch zu kontroversen Themen

Zitat(e) fürs Leben „Mische Dich ein und engagiere Dich für andere Menschen.“ 

„Tue, was in Deiner Macht steht, zur Änderung von Missständen!“

Interview

Würden Sie sich in eigenen Worten kurz vorstellen.

Ich bin jemand der menschen- und weltoffen ist, ein hohes Durchsetzungsvermögen besitzt. Ich mag andere Menschen und sehe nicht gerne zu, wenn etwas schief geht. Ich engagiere mich gerne für meine Familie (Sohn und Enkel), freue mich über schöne Dinge: ein interessantes Buch – Klavier zu spielen, wenn ich Zeit habe – freundschaftliche Bewunderung für zeitgenössische Malerei und ihre Künstler – Blumen – und ich liebe das Leben!

Als ich 1980 an die Hochschule Heilbronn berufen wurde, war ich nicht ganz die erste Professorin. Vor mir war schon lange eine Kollegin an der Hochschule tätig, die sich sehr über mein Erscheinen freute. Sie ging aber bald in den Ruhestand. Und dann war ich hier "alleine" unter rund 95 männlichen Professoren.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die nächste Kollegin – Frau Dr. Rotraut Laun – an die Hochschule kam. Und das war so: Ich war in der Aula in Sontheim, als ein Kollege zu mir kam und sagte „Wir haben morgen Probevorträge, und da ist eine Frau dabei.“ Ich sagte ihm, dass ich versuchen würde, meine Lehrveranstaltungen zu verschieben, um bei den Probevorträgen dabei zu sein. Sie war mit Abstand die beste und kam auf Platz 1. Und ab da waren wir zu zweit. Bis heute verstehen wir uns gut. Sie war bei den Ingenieuren, ich bei den Betriebswirten. Immer, wenn sich eine Frau auf eine Professur bewarb, dann nahm eine von uns bei den Vorstellungsgesprächen und Probelehrveranstaltungen teil - quasi als Gleichstellungsbeauftragte, wenn man das so bezeichnen möchte. Diese Funktion gab es damals ja noch nicht.

Was ist Ihr akademischer/beruflicher Hintergrund? 

Ich besuchte ein naturwissenschaftliches Gymnasium, kann auf längere Studienaufenthalte an der University of Edinburgh und der Sorbonne, Paris zurückblicken, erwarb vielfältige Kenntnis Europas als Inspizientin für Sprachschulen in einer Reihe europäischer Länder und halte Kontakt mit jungen Menschen, vor allem meinen Studierenden (teilweise bis heute). Das ist auch der Hauptgrund, weshalb ich von Anfang an eine Studentin im Rahmen des Deutschlandstipendiums unterstützt habe.

Ich habe mich innerhalb meiner beruflichen Laufbahn irgendwann mal dazu entschieden, mich mehr um hochschulpolitische Dinge zu kümmern, als um die Wissenschaft. Ich habe gesehen, dass es zahlreiche gute Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gibt, während der hochschulpolitische Bereich noch unterversorgt war. Mir lagen die Themen Frauenförderung und Studierende stets am Herzen. Mit der Zeit kam ich in immer mehr Gremien rein, und das war die Basis, um sich um die Studierenden und die Fachhochschulen besser kümmern zu können. Ich erhielt irgendwann Zugang zu den Personen, die Verantwortung haben, wodurch mir dann vieles leichter fiel.

Zunächst hatte ich den Vorsitz im Verband Hochschule und Wissenschaft. Dann wurde ich Landesvorsitzende und am Ende sechs Jahre Bundesvorsitzende dieses Hochschulverbandes. Und als Landesvorsitzende hat man eben einen direkten Draht zum Ministerium, dort werden die Entscheidungen getroffen, dort werden Gelder verteilt, dort wird über Stellen entschieden. Ich habe mich sozusagen Top-down von der Spitze nach unten gearbeitet. Andersherum, ist das sehr mühselig, kostet sehr viel Zeit und vor allem Kraft. So erhielt ich Kontakte, an die ich anknüpfen konnte. Auf Landesebene gab es einige Mitstreiterinnen und so habe ich mit der späteren Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Wintermantel, und fünf anderen Frauen den Verband Baden-Württembergische Wissenschaftlerinnen (VBWW) gegründet.

Was hat Sie motiviert, sich für eine Karriere in der Wissenschaft/Forschung zu entscheiden?

Mich hat mein Studium der Anglistik und Romanistik (als Hauptfächer) sowie Pädagogik und Geschichte (als Nebenfächer) fasziniert. Da ich mit einem Stipendium der Hermann-von-Siemens-Stiftung studieren und promovieren durfte, konnte ich meine internationalen Neigungen pflegen. Da ich gerne die Literatur anderer Länder lese, lag es nahe, mich vertiefend zu qualifizieren.

Was hat Sie inspiriert, in Ihrem Fachbereich zu bleiben und weiterzumachen?

Der enge Kontakt mit meinen Studierenden, den ich durch Exkursionen vor allem nach Ägypten vertiefen konnte, die vielfältigen internationalen Kontakte, meine internationalen Kollegen sowie die vielfältigen Möglichkeiten der Horizonterweiterung durch die internationalen Begegnungen mit unseren Partnerhochschulen. Dies hat dazu geführt, dass ich in der Tourismusbetriebswirtschaft und Internationalen Betriebswirtschaft an der Hochschule Heilbronn geblieben bin.

Gibt es etwas, das Sie jetzt im Nachhinein anders machen würden?

Nein, wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann denke ich, dass ich mich sehr angestrengt, aber auch viel Hilfe bekommen habe. Mein Stipendium hatte mir schon viele Türen geöffnet, ebenso wie mein Ehrenamt im Deutschen Studentenwerk, und später meine Zeit als vhw-Bundesvorsitzende im Deutschen Beamtenbund. So konnte ich Anderen Türen öffnen.

Wenn ich zurückblicke, betrachte ich mein hochschulpolitisches Engagement als wichtiger, als wenn ich meine wissenschaftliche Karriere fortgesetzt hätte. Ich konnte mehr bewirken.

Eines würde ich jedoch anders machen: Ich würde mir mehr Zeit für mich selbst und meine Familie gönnen.

Was empfinden Sie als Ihren größten beruflichen Erfolg? Worauf sind Sie stolz?

Ich bin stolz darauf, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen meine Fähigkeiten für Andere nutzen konnte und genutzt habe. Ich habe mich um die Studierenden sehr gekümmert. Bis heute gratulieren mir manche noch zum Geburtstag.

Ich bin außerdem stolz darauf, dass andere anerkannt haben, wo ich mich eingebracht habe, sonst hätte ich vermutlich das Bundesverdienstkreuz nicht bekommen, für das man sich bekanntlich nicht bewerben kann. Ich habe mich eben - so gut ich konnte - engagiert.

Was ist eine Fähigkeit oder Eigenschaft, die Sie erst spät in Ihrer Karriere erkannt haben und die Sie für wichtig halten?

Toleranz und Engagement sind mir wichtig.

Ich war eine Netzwerkerin. Netzwerken ist überaus hilfreich. Man muss nicht alleine kämpfen, man muss schauen wo die Menschen sind, die ähnlich denken, wie man selbst, und die einem gegebenenfalls helfen können. Auf diese Weise konnte ich das eine oder andere bewegen, auch an der HHN und insbesondere durch die Förderung von Studentinnen im Rahmen des Deutschlandstipendiums.

Aber es gibt Dinge, die kann man nicht beeinflussen, da muss man einfach Glück gehabt haben.

Was ist Ihr Rat an Frauen, die mit dem Gedanken spielen, eine Karriere in der Wissenschaft zu beginnen?

Man muss die Wissenschaft und seine Fachgebiete lieben und sich gerne an einer Hochschule vor allem für junge Menschen engagieren. Politische Aktivität reicht nicht, man muss den Menschen an der Basis helfen.

Frauen müssen wir noch mehr fördern. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Chancen für junge Frauen sind heutzutage zwar um einiges besser, und hier hat sich schon einiges getan. Als ich beispielsweise mein Abitur machte, wollte ich eigentlich naturwissenschaftliche Fächer studieren. Da es aber z. B. in der Chemie keine einzige Studentin gab, kam ich zu den Philologien. Und hier kann ich nur sagen: Vieles was einem erst als Problem erscheint, erweist sich später als nützlich. Um am Ball zu bleiben, braucht man Geduld und Ausdauer.

Manchmal muss man seine Scheuklappen absetzen, über den Tellerrand schauen, und vor allem Interesse an anderen Menschen haben. Von diesen kann man einiges zurückbekommen, einiges lernen. Wenn man etwas bewegen möchte, muss man Kontakte knüpfen, Kontakte pflegen.

Am 11. Februar findet jährlich der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft statt. Der Aktionstag würdigt die entscheidende Rolle von Frauen und Mädchen in Wissenschaft und Technik, er soll ermutigen, fördern und unterstützen. 

In diesem Rahmen möchte das Referat für Gleichstellung und Diversität die Leistungen von Wissenschaftlerinnen der Hochschule Heilbronn in den Fokus rücken. In den Wochen bis zum Girls Day, dem 25.04.24, stellen sich die Wissenschaftlerinnen vor, geben Einblick in ihre Arbeit und nennen Beweggründe für eine wissenschaftliche Karriere.