Prof. Dr.-Ing. Ricarda Schlimbach

"Witzigerweise wollte ich schon in der Grundschule Professorin werden."

Melanie Müller / Miriam Borgert|18.02.2024

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Ricarda Schlimbach

Name Ricarda Schlimbach

Alter 32

Akademischer Grad Dr.-Ingenieurin

Aktuelle berufliche Position
Stiftungsprofessorin der Gerhard und Ilse Schick Stiftung an der HHN in Schwäbisch Hall

Fachbereich bzw. Forschungsgebiet Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digitales Management

Veröffentlichungen und Forschungsschwerpunkte KI-basierte Lern-Companions

Auszeichnungen und Preise Alumni der KSK Hochbegabtenförderung, Fulbright Scholar, Member of Beta Gamma Sigma Honor Society, McKinsey Achievement Award Winner Germany (First Generation Student) 2020, Panda Leadership Contest Top 10 Winner Tech & Software 2021, ICIS ER Best Paper Finalist 2022/Best Student Paper Award 2023

Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen Association of Information Systems; Special Interest Group Education/HCI/Germany

Inspirierende Personen oder Vorbilder Ada Lovelace, die weltweit als erste Programmiererin angesehen wird und (im 19. Jahrhundert) ihrer Zeit voraus war. Darüber hinaus inspirieren mich immer wieder Menschen mit besonderem Ehrgeiz und Leistungswillen, z.B. kenne ich jemanden, der sich vom Hauptschulabschluss bis zur Promotion aus eigener Kraft „hochgearbeitet“ hat. Davor habe ich größten Respekt.

Ein Zitat fürs Leben "Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glück. Glück ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du liebst, was du tust, wirst du erfolgreich sein."    - Albert Schweitzer

Interview

Würden Sie sich bitte kurz in eigenen Worten beschreiben? 

Ich bin sehr ehrgeizig und liebe es, mir immer neue Herausforderungen zu stellen. Geduld ist hingegen überhaupt nicht meine Stärke. Wenn ich etwas mache, dann brenne ich dafür und stecke meine volle Leidenschaft hinein, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Trotzdem brauche ich dazu auch einen Ausgleich, den ich zum Beispiel beim Tanzen oder in der Natur finde. Ich bin zwischen Bauernhöfen in einem kleinen Dorf östlich von Köln großgeworden und genau diese Balance zwischen Bodenständigkeit in Verbindung mit der Natur, ausgelassenem Feiern (z.B. beim Karneval) und ein starkes soziales Gefüge, macht das Leben für mich so vielseitig. Ich bin regional verwurzelt, aber in der Welt zuhause – denn ich reise für mein Leben gern und lerne neue Sprachen und Kulturen kennen.

Was ist Ihr akademischer/beruflicher Hintergrund?

Nach meinem Abitur habe ich ein duales Studium in Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Automobiltechnologie in Kombination mit einer IHK-Ausbildung zur Industriemechanikern bei der Volkswagen AG in Wolfsburg absolviert. Diese Mischung war für mich ideal, weil die Abwechslung zwischen theoretischen und praktischen Anteilen enorm spannend ist und einem dabei hilft, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Danach habe ich noch einen Master in Technologie-orientiertem Management an der TU Braunschweig, gefolgt von einem MBA in Strategic Innovation in den USA angeschlossen und dann im Themenfeld der Geschäftsmodellinnovation promoviert. Insgesamt habe ich dabei in vier Ländern studiert und gearbeitet (Deutschland, USA, Frankreich und Spanien) und kann das nur empfehlen! Zuerst dachte ich, dass ich mir das gar nicht leisten könnte, aber es gibt viel mehr Stipendien, als man denkt. Es lohnt sich also auf alle Fälle, Zeit in entsprechende Bewerbungen zu investieren!

Schon während meiner Zeit in den USA habe ich beim Software-Konzern IGT meine Begeisterung für digitale Produkte und agiles Arbeiten im IT-Bereich entdeckt. Deshalb habe ich auch zurück bei Volkswagen in Deutschland weitere wertvolle Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen IT und den Fachbereichen gesammelt, z.B. als Product Ownerin eines Teilbereichs der VW-Markenwebseite in sämtlichen Ländern weltweit, in der Abfrage und Analyse von Customer Reviews oder in einer Task Force zum E-Commerce der neuen ID-Reihe. Danach war für mich klar: Die Wirtschaftsinformatik soll mein beruflicher Hafen werden und so habe ich dann noch rund 2,5 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftsinformatik der TU Braunschweig verschiedene IT-Projekte geleitet, Lehrveranstaltungen betreut und and KI-basierten Lern-Companions geforscht. Das hat mich so begeistert, dass es sich gar nicht wie arbeiten anfühlt. Deshalb habe ich mich unglaublich gefreut, als ich dann schon mit 31 Jahren den Ruf auf die Professur für Wirtschaftsinformatik an die HHN am Campus Schwäbisch Hall in 2023 bekommen habe. Ich freue mich darauf, hier meine beruflichen Erfahrungen einzubringen, neue Lehrformate auszuprobieren und meine Forschungsschwerpunkte weiter auszubauen.

Was hat Sie motiviert, sich für eine Karriere in der Wissenschaft/Forschung zu entscheiden?

Witzigerweise wollte ich schon in der Grundschule Professorin werden. Damals wusste ich noch nicht so ganz, was wirklich hinter dem Berufsbild steckt, aber mich hat schon damals die Leidenschaft von Professoren in Dokumentationen am Fernsehen angesteckt, wenn sie begeistert von ihrem Fachbereich gesprochen haben. Außerdem hat es mir schon immer Spaß gemacht, mein Wissen und meine Erfahrungen weiter zu geben (z.B. als Nachhilfelehrerin oder Mentorin). Das ist dann über die Jahre immer stärker geworden. Gerade auch diese Gestaltungsfreiheit in Forschung und Lehre und die Vision, bei innovativen Entwicklungen vorne mit dabei sein zu können sind Aspekte, die furchtbar gut zu meiner Persönlichkeit passen und mich täglich antreiben.

Was inspiriert Sie, in Ihrem Fachbereich zu bleiben und weiterzumachen? 

In der Wirtschaftsinformatik finde ich Inspiration in der ständigen Evolution der Technologie und ihrer Auswirkungen. Die digitale Transformation gestaltet nicht nur die Art und Weise, wie Unternehmen operieren, sondern entscheidet auch darüber, wie wir in Zukunft sozial interagieren, zusammenarbeiten und leben. Gerade in meinem Schwerpunktforschungsfeld, der Conversational AI im Lernkontext tut sich gerade so viel, dass ich auf keinen Fall verpassen möchte, wie unsere Bildungslandschaft sich in naher Zukunft aufgrund dessen merklich verändern wird. Aber es liegt an uns Menschen, aktiv Teil dieses Wandels zu sein und ihn damit maßgeblich mitzubestimmen. Das spornt mich enorm an, hieran weiterforschen zu können und damit gleichzeitig einen praktischen Mehrwert generieren zu können.

Was empfinden Sie als Ihren größten beruflichen Erfolg bisher? Worauf sind Sie stolz?

 Ich bin stolz darauf, schon so jung auf eine Professur in meinem Wunschgebiet, der Wirtschaftsinformatik, berufen worden zu sein. Obwohl ich diesen Traum schon sehr lange hatte, haben nur wenige daran geglaubt. Ich komme aus einer sehr ländlichen, strukturschwachen Gegend, niemand in meiner Familie hat Abitur gemacht und ich war schon im Physik-LK in der Schule die einzige Frau, die sich für die MINT-Fächer so stark begeistert. Dass ich trotzdem immer „am Ball geblieben“ bin, macht mich schon stolz, denn Durchhaltevermögen braucht man auf alle Fälle bis der Ruf auf eine Professur dann kommt.

Was sind Ihre Zukunftspläne für Ihre Karriere? Haben Sie bereits Projekte in der Pipeline und welchen Impact sollen sie haben? 

 Ich möchte aktiv darin mitwirken, wie IT-gestützte Lehr- und Lernkonzepte der Zukunft aussehen könnten. Wir brauchen da einen Mix, einerseits uns Menschen mit unseren sozialen Interaktionen und Bedürfnissen nicht auf der Strecke zu lassen und andererseits die Potentiale des technologischen Fortschritts geschickt auszunutzen. Und ja, ich habe da schon erste Projektanträge mit Kooperationspartnern eingereicht und muss mich da jetzt erstmal gedulden, was die Fördergeldgeber von den darin skizzierten Ideen halten – und wie oben schon geschrieben, ist Geduld nicht meine Stärke …. hoffen wir also, dass es bald Rückmeldung dazu gibt. Dann kann ich mehr dazu berichten.

Was ist eine Fähigkeit oder Eigenschaft, die Sie erst spät in Ihrer Karriere erkannt haben und die Sie für wichtig halten? 

Ich bin ziemlich stark im Netzwerken, aber ohne, dass ich das forciere. Das passiert „irgendwie immer einfach so“, weil ich ehrliches Interesse an Gesprächen mit anderen Leuten habe und mich schnell auf mein Gegenüber einstellen kann. Bei Reisen zu Forschungskonferenzen ist das oft sehr nützlich, da kenne ich oft schon das halbe Flugzeug, bevor ich angekommen bin und dann finden sich schnell Anknüpfungspunkte zum Austausch für Anträge, Veröffentlichungen oder auch Ideen für die Lehre.

Was ist Ihr Rat an Frauen, die mit dem Gedanken spielen, eine Karriere in der Wissenschaft zu beginnen?

Folge deinem Herzen! Wenn du liebst, was du tust, wirst du erfolgreich sein. Studierende merken es sofort, wenn du für die Inhalte brennst und gerne unterrichtest und mit Passion lassen sich schneller und besser Forschungsergebnisse erzielen. Deshalb empfehle ich, sich zuerst selbst zu reflektieren, wonach man (beruflich) strebt und sofern die akademische Karriere dazu gut passt, können Mentoringprogramme enorm helfen, um wertvolle Tipps auf dem Weg dorthin zu erhalten.

Außerdem fällt mir auf, dass an Universitäten (wo ja in der Regel die Promotion erfolgt) fast immer nur die Uni-Karriere zur Professur thematisiert wird. Hier kann ich nur raten, auch mal nach links und rechts zu schauen. Gerade die Hochschulprofessur (mit der in der Regel sofortigen Berufung auf eine W2-Stelle und stärkerer praktischer Ausrichtung und gleichzeitig weniger Forschungsdruck) kann insbesondere für Frauen sehr lukrativ sein, um schon früh eine langfristige berufliche Perspektive zu bekommen, unter der sich auch Familie und Karriere gut vereinen lassen.

Am 11. Februar findet jährlich der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft statt. Der Aktionstag würdigt die entscheidende Rolle von Frauen und Mädchen in Wissenschaft und Technik, er soll ermutigen, fördern und unterstützen. 

In diesem Rahmen möchte das Referat für Gleichstellung und Diversität die Leistungen von Wissenschaftlerinnen der Hochschule Heilbronn in den Fokus rücken. In den Wochen bis zum Girls Day, dem 25.04.24, stellen sich die Wissenschaftlerinnen vor, geben Einblick in ihre Arbeit und nennen Beweggründe für eine wissenschaftliche Karriere.